von Dr. Nils Kramer und Ina Deiting
Der „Blick hinter die Kulissen“ ist seit jeher eines der faszinierendsten Themen, mit denen Besucher für die Arbeit im Zoo und das Unternehmen Zoo begeistert werden können. Seit über 20 Jahren legt der Tierpark Nordhorn in seiner Parkentwicklung großen Wert auf Besuchernähe und Transparenz. Er richtet sich hierbei in seiner Gestaltung und Edukation insbesondere an die Kernzielgruppe der Kinder bis 14 Jahre.
Aus diesen Erwägungen heraus entstand in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 die Idee, auch ein Gebäude wie die zentrale Futterküche im wahrsten Sinne des Wortes „in den Park zu rücken“ und die über 400.000 gezählten Besucher in Zukunft an diesem zentralen Gebäude und der darin stattfindenden Arbeit teilhaben zu lassen. Die Idee der zentralen „Schaufutterküche“ im Tierpark Nordhorn war geboren und die notwendigen Planungen wurden in Gang gesetzt.
Die alte Futterküche aus den Anfängen des Nordhorner Zoos war abgängig und eine Sanierung am gleichen Standort schied schon aus Kostengründen aus. Als bester Standort für die neue Schaufutterküche stellte sich schnell das Grundstück eines vormals bewaldeten kleinen Hügels mit Waldlehrpfad in direkter Nachbarschaft zum Betriebshof gelegen heraus. Sowohl das neue Konzept mit Einblicken für die Besucher konnte an diesem Standort realisiert, als auch dem bestehenden Betriebshof mehr Platz gegeben werden. Der Betrieb der alten Futterküche konnte so bis zur Eröffnung der neuen Schaufutterküche weiter gehen, so dass eine Zwischenlösung vermieden werden konnte.
Gleichberechtigt neben den baulichen und organisatorischen Planungen standen die inhaltlich-edukativen Planungen. Der Anspruch des Nordhorner Zoos war es, dass die neue Schaufutterküche schließlich nicht nur die Arbeit und Organisation der Tierpflege auf eine neue Basis stellte, sondern auch inhaltlich mit Leben gefüllt wurde. Im Einklang mit dem Einblick in die Arbeit der Tierpflege in der Futterküche wurde rund um die neue Schaufutterküche eine zielgruppengerechte, transparente und ansprechende Edukation erarbeitet. Zentrales, weil belebtes, Element des neuen edukativen Konzeptes sind dabei vor allem die zweimal täglich stattfindenden kommentierten Futterzubereitungen, welche zur Eröffnung hin ausgearbeitet wurden.
Dabei baut das edukative Konzept auf verschiedenen inhaltlichen Bausteinen auf. Ziel war es, vor allem die Lernspiele und Infotafeln analog der im Tierpark Nordhorn schon vorhandenen Edukation zielgruppengerecht, transparent und ansprechend zu gestalten. Zudem sind im Nordhorner Zoo sämtliche Schilder und Kommentierungen zweisprachig (deutsch, niederländisch) ausgearbeitet.
Den wenigsten Besucher ist bewusst, dass es überhaupt eine Futterküche im Zoo gibt, geschweige denn, wieviel Arbeit und Organisation hinter einer funktionierenden Futterversorgung in einem Zoobetrieb steckt. Im Rahmen der „edukativen Reise“ entlang des Gebäudes erfährt der Besucher etwas über die Rolle und die Wichtigkeit einer Schaufutterküche.
Der Besucher konsumiert in der Regel nur den sicht- und erlebbaren Teil, angefangen von den Tiergehegen, über die Gastronomie bis hin zu den Spieleangeboten. Aufgrund dieser Grundlage werden natürlich auch die Kaufentscheidung und die Bewertung, ob ein Eintrittspreis angemessen ist getroffen. Die weiteren Angebote und Anstrengungen wissenschaftlich geführter Zoos im Bereich Natur- und Artenschutz, Bildung und Forschung, aber eben auch die gesamte Organisationstruktur, die notwendig ist um das vordergründig konsumierte Zooerlebnis als Besucher genießen zu können, werden in der Regel mangels Kenntnis ausgeblendet. Dabei zeigen Angebote wie eine Zooschul-Führung „hinter die Kulissen“, dass es sehr wohl ein breites und spürbares Interesse an den Hintergrundaktivitäten eines Zoobetriebes gibt. Für die Zoos ist es in der heutigen Zeit und der gesamtgesellschaftlichen Diskussion um die Rolle der Zoos umso wichtiger, dieses interessierte Publikum abzuholen und zu bilden. Als Multiplikatoren stellt dieser Personenkreis einen unschätzbaren Wert für die Zoowelt an sich und insbesondere in der Vermittlung der Kernaufgaben moderner wissenschaftlich geführter Zoos dar.
Mit dem Projekt „Schaufutterküche“ will der Tierpark diese Chance ergreifen und einen wichtigen Teil des Unternehmens den Besuchern näher bringen.
Einen besonderen Schwerpunkt in der Darstellung bildet natürlich die verbrauchte Menge an Futtermitteln. Für viele sind dies sehr interessante Informationen, da der normale Besucher keine Vorstellung von den verbrauchten Mengen hat. Die häufigste Reaktion der Besucher ist großes Erstaunen, wenn sie mittels Ratespiel die richtigen Mengen erraten dürfen.
Auch haben die wenigsten Besucher eine Vorstellung davon, woher die Futtermittel stammen. Den Großteil seiner Futtermittel (exkl. Fleisch) bezieht der Tierpark Nordhorn von verschiedenen Futtermittellieferanten in bester Qualität. Sollte die Qualität nicht dem erwarteten Standard entsprechen, werden die Chargen umgehend zurückgenommen. Schon vor vielen Jahren hat der Tierpark Nordhorn die früher und zum Teil noch heute gängige Praxis der Futtermittelspenden und –sammlung abgeschafft. Seit insbesondere der Einzelhandel erkannt hat, dass auf diesem Wege große Mengen minderwertiger Futtermittel kostenlos über den Zoo entsorgt werden können, hatte der Anteil von nicht mehr zu verwendenden Anteilen in den Futtermittelspenden stark zugenommen. Die Sortierung per Hand rechnete sich nicht mehr.
Vor allem aber garantiert der passgenaue Einkauf immer frische Ware und eine kontinuierliche Versorgung mit den benötigten Futtermitteln, so dass die Vorgaben der Futterpläne eingehalten werden.
Bereits lange vor der Diskussion um die „Giraffe Marius“ hat der Tierpark Nordhorn erfolgreich den Weg eines transparenten Umgangs mit vermeintlich kritischen Themen beschritten.
Der ehrliche und sachliche Umgang mit Themen wie Nahrungsbeziehungen und –kreisläufen, Futtergewinnung von Zootieren, Ganzkörperfütterung bis hin zur Gewinnung von Lebensmitteln für die tierparkeigene Gastronomie werden in Nordhorn seit Jahren dem Besucher kommuniziert. Mit großen Erfolg. Mittlerweile können zum Beispiel die beiden tierparkeigenen Gastronomien komplett mit im Nordhorner Zoo geborenen und aufgezogenen Produkten von Bentheimer Schweinen komplett versorgt werden. Ferkelstreichelzoo und Grillbude in unmittelbarer Nähe sind kein Widerspruch, im Gegenteil, sogar höhere Preise werden aufgrund der nachvollziehbaren Produktionskette vom Besucher honoriert.
Auch im Rahmen der Futterküchenbeschilderung wird das Thema aufgegriffen und kindgerecht präsentiert. Die 150kopfstarke Schafherde des Tierparks übernimmt in einem regionalen Arten- und Naturschutzprojekt die wichtige Aufgabe der Landschaftspflege. Aus dieser Herde gewinnt der Tierpark einen Teil des Fleischbedarfs für seine Raubtiere. Wenn auch in deutlich geringerem Maße als das Schweinefleisch geht zudem ein Teil in die zooeigenen Servicegastronomie.
Die Reaktion der Besucher zeigt, dass auch diese Themen im Rahmen des Bildungsauftrages honoriert werden und dem Besucher die Lebenswirklichkeit vor Augen führen.
Den Abschluss der Beschilderung stellen die Themen Tierbeschäftigung und medical training dar. Anhand von Beispielen wird dem Besucher verdeutlicht, welcher Aufwand im Zoo für die Fitness und Gesunderhaltung der Tiere betrieben wird. Durch immer neue Ideen werden die Schützlinge herausgefordert. Neben den enviromental und behavioral enrichtment verdient auch das medical training seine Aufmerksamkeit, ist es doch einer der entscheidenden Gründe, wie auch Wildtiere schonend tierärztlich versorgt werden können.
Kernelement in der inhaltlichen Darstellung ist selbstverständlich der zweimal täglich stattfindende Auftritt der Tierpfleger.
Zwischen 11.30 Uhr und 16.15 Uhr ist für den Besucher die Arbeit in der Schaufutterküche durch eine große Panoramascheibe einsehbar. Die Futterzubereitung durch die Futterküchenkräfte kann somit live verfolgt werden. Alle Arten der Futterzubereitung und der Futterbestandteile können erlebt werden. Durch eine Gegensprechanlage können die Besucher in Kontakt zu den Mitarbeitern treten und Fragen stellen.
Jeweils um 11.30 Uhr und um 15.45 Uhr findet eine kommentierte Futterzubereitung analog zu einer kommentierten Tierfütterung durch den Tierpfleger statt. Inhaltlich baut sich diese Fütterung genau wie die Beschilderung aus allgemeinen Informationen zur Futterküche und den Futtermitteln auf. Darüber hinaus wird dann die Futterzubereitung und –zusammensetzung einer bestimmten Tierart besprochen. Den Schluss bildet auch hier die Vermittlung sowohl der Aktivitäten rund um die Tierbeschäftigung und das medical training oder Hinweisen zu Artenschutzprojekten bei dieser speziellen Tierart. Es gibt einen Wechsel im speziellen Teil dieser Schau, so dass der Besucher nur eine geringe Chance hat, zweimal hintereinander etwas über dieselbe Tierart zu hören.
Für den Besucher ist es möglich, nicht nur die Zubereitung des Futters für eine bestimmte Tierart zu erleben, sondern er kann sogar dem Reviertierpfleger bis an das Gehege folgen und dort zu einem anderen Zeitpunkt die Verfütterung der zubereiteten Nahrung verfolgen.
Zudem wurde die Futterküche mit in das Angebot der Zooschule aufgenommen. Vertiefende Führungen durch die Futterküche werden bereits gebucht.
Der rund 750.000,- Euro teure Neubau erfüllt dabei alle Anforderungen an eine moderne Futterküche. Die Mittel wurden komplett aus den wirtschaftlichen Gewinnen vom Nordhorner Zoo selbst bestritten. Eine Kreditaufnahme fand nicht statt, der Tierpark Nordhorn ist somit seit über 20 Jahren schuldenfrei.
Die gesamte Planung und die Baudurchführung wurde vom Tierpark Nordhorn in Zusammenarbeit mit dem Nordhorner Architekturbüro „gesamtwerk ARCHITEKTUR“ durchgeführt. Neben der Funktionsgerechtigkeit im Inneren und dem Einblick für die Besucher stand vor allem eine optisch ansprechende, sich aber im Gesamtgefüge der Parklandschaft sehr zurücknehmende Bauweise als Zielvorgabe fest.
Da aufgrund der Geländeunterschiede im parkseitigen Teil parallel zu den eigentlichen Baumaßnahmen das Gelände um mehrere Zentimeter angehoben werden musste, nutze der Tierpark diese Chance und verwirklichte einen „Moorlehrpfad“. Hierdurch konnte die gesamte parkseitige Ansicht des Gebäudes neu gestaltet und die Blickachsen harmonisch durch die Bepflanzung gebrochen werden.
Ein großzügiger Vorplatz bietet in diesem Teil des Parks eine neue Aufenthaltsqualität und lädt zum Verweilen ein, was von den Besuchern gerne angenommen wird.
Im Untergeschoss des Neubaus ist auf einer Fläche von 280 Quadratmetern die eigentliche Futterküche mit den (Tief-)Kühlzellen für Fleisch und Fisch sowie dem zugehörigen Schlacht- und Zerlegeraum, sowie die Kühlzelle für Obst und Gemüse samt vorgelagertem Schauraum angesiedelt. Ebenfalls vorhanden ist ein Trockenfuttermittellager. Die Spülküche ist ebenfalls einsehbar. Erschlossen wird die Futterküche durch einen Zentralgang.
Die große Panoramascheibe ermöglicht den Besuchern einen umfassenden Einblick in den Schauraum, in dem die Futterzubereitung stattfindet. Eine kinder- und rollstuhlgerechte Anrampung ermöglicht auch für diesen Personenkreis einen Einblick.
Außerhalb des Gebäudes in einem geschlossenen Anbau befinden sich die Konfiskatkühlzelle sowie das Lager für Paletten, Rollwagen und andere Materialien.
Ebenfalls im Untergeschoss, getrennt von der eigentlichen Futterküche, ist der Tierpflegereingang samt Stiefelschleuse. Zudem noch der Technikraum und ein Raum für die Wärmetauscher, mittels derer die Abwärme der Kühlzellen energetisch sinnvoll genutzt werden kann.
Das Obergeschoss beherbergt auf 170 Quadratmetern die notwendigen „schwarz/weiß“-Umkleiden inklusive Sanitärbereich und darüber hinaus die Sozialräume für die gesamte Mannschaft der Tierpflege.
Der Zuspruch durch die Besucher ist sehr positiv und die kommentierte Futterzubereitung erfreut sich eines stetigen Zuschauerzuspruchs. Insbesondere Kinder stellen auch gezielte Nachfragen und der Dialog zwischen Zoo und Besucher kann gefördert werden.
Dr. Nils Kramer und und Ina Deiting, Tierpark Nordhorn