Mit Schüler/innen in den Zoo - Zoopädagogik als Aspekt im Lehramtsstudium Biologie

Dr. Armin Baur - Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd

 

Alle Enten sind gelb und Kühe geben H-Milch; die Naturvorstellung unserer nachfolgenden Generation ist oft fern der Realität.

Der Jugendreport Natur 2003 zeigte auf, dass nahezu jeder Zehnte der befragten Schüler/innen (11%) aus der 6. und 9. Klassenstufe die Vorstellung hatte, dass Enten gelb sind. Der Anteil erhöhte sich zum Report von 1997, damals waren es 7%. Die Fehlvorstellung wird von den Autoren auf gelbe Medien-Enten (Fernseh- und Bade-Enten) zurückgeführt (Brämer, 1999, 2004). Auf die Frage, welche Art von Kuh nur H-Milch gibt, antworteten im Jugendreport 2010 10% der Befragten, dass dies alle Kühe machen würden (Brämer, 2010). Nicht nur diese beiden Beispiele, sondern auch andere Ergebnisse des Jugendreports belegen, dass das Wissen und die Einstellung von Kindern und Jugendlichen von einer Naturentfremdung geprägt sind. Der Grad in der Ausprägung der Naturentfremdung von Kindern und Jugendlichen wird durch das Elternhaus determiniert. Die Diskrepanz zur Natur ist oft bei Menschen mit sozialen Benachteiligungen (niedrigem Bildungsstand, niedrigem Einkommen) besonders hoch und wird über die Erziehung an die Kinder weitergegeben (Kleinhückelkotten & Neitzke, 2010). Blickt man auf die Ergebnisse einer Untersuchung, bei der Umweltschützer/innen befragt wurden, was sie veranlasste, sich für ihre Arbeit einzusetzen, wird das Problem, welches sich aus der Naturentfremdung von Kindern und Jugendlichen ergibt, deutlich. In der Untersuchung konnte die Naturerfahrung in der Kindheit als ein wichtiger auslösender Faktor für die Engagiertheit der befragten Umweltschützer/innen herausgestellt werden (Chawla, 1998, 1999).

 

All dies stellt Bildungseinrichtungen, vor allem die Schule, vor eine große Herausforderung, da eine Bildung zum vorausschauenden, rücksichtsvollen, gerechten Umgang mit den Ressourcen unserer Erde, eine Bildung für nachhaltige Entwicklung, ohne eine Nähe zur Natur schwer umzusetzen ist. Bildungseinrichtungen müssen daher Naturbegegnungen ermöglichen, um dem angeführten allgemeinen Phänomen der Naturentfremdung und der zusätzlichen Ungleichheit der Naturnähe innerhalb der sozialen Schichten entgegenzuwirken.

 

Der außerschulische Lernort Zoo ist ein geeigneter Ort, um Kindern und Jugendlichen die Natur nahe zu bringen: Die Begegnung mit Tieren regt das Neugierverhalten von Kindern an und motiviert zur genaueren Wahrnehmung (Wendt, 2012). Die Chance zur Realbegegnung ermöglicht das Verändern von medial erzeugten Fehlvorstellungen (ebd.). Die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ermöglicht selten Primärerfahrungen mit Wildtieren (Molkenthin, 1999). Im Zoo sind solche Begegnungen möglich. Zwar beheimatet der Zoo hauptsächlich nichtheimische Tiere, der Direktkontakt mit diesen ist aber ein Schritt, sich mit der Natur auseinanderzusetzen. Die Nähe zu den Tieren bietet die Chance zu einer Begegnung, die so in der freien Natur nicht möglich ist. „Zoos und Aquarien […] gehören wohl zu den besten Orten, wo sich eine Entfaltung der Kind-Natur-Verbindung abspielen kann.“ (Lehnhard, 2011, S.14)

 

Naturerfahrungen und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind aber bei weitem nicht die einzigen Lehr- und Lernfacetten des Lernortes Zoo.

Im Zoo können ohne große Schwierigkeiten naturwissenschaftliche Arbeitsweisen wie Beobachten, Betrachten und Vergleichen in den Lernprozess einbezogen werden. Das didaktisch, methodisch geplante Arbeiten am Original schafft Gelegenheiten, dass Schüler/innen naturwissenschaftliche Kompetenzen ausbauen können. Nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten auch Wissen kann in einer besonderen Art und Weise im Zoo vermittelt und gelernt werden (vgl. hierzu auch Wendt, 2012). Ergebnisse aus der Neurodidaktik belegen, dass erfolgreiche Lernprozesse durch positive emotionale Erfahrungen unterstützt werden (Arnold, 2009). Das Kinder und Jugendliche im Zoo emotionale Erfahrungen machen ist unbestreitbar.

 

Um den Zoo als Lernort mit Einbezug aller aufgeführten Lehr- und Lernfacetten bestmöglich zu nutzen und der Lehr-/Lerngang nicht nur zum Spaziergang durch den Zoo wird, muss der Besuch didaktisch und methodisch vorbereitet werden. Damit zukünftige Lehrer/innen Anregungen, Motivation, didaktisches und methodisches Wissen zum Besuch des Lernorts Zoos sammeln, sowie Kontakte zu Zoopädagogen aufbauen können, wird an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd für Lehramtsstudierende des Faches Biologie das Seminar Zoopädagogik angeboten.

 

Das Seminar setzt sich aus regulären Semesterveranstaltungen (Zeitrahmen zwei Semesterwochenstunden) und zwei Tagesveranstaltungen im Zoo zusammen. Im Seminar lernen die Studierenden zuerst Gesichtspunkte kennen, warum sich der Zoo als außerschulischer Lernort anbietet. Danach setzen sie sich mit dem Wandel, den die Zoos in den letzten Jahrzehnten durchlaufen haben, auseinander und werden angeregt zu folgern, welche Chancen sich hierdurch für Unterrichtsarrangements und Lernprozesse ergeben haben. Im weiteren Verlauf des Seminars werden verschiedene methodische Möglichkeiten besprochen, die die Studierenden später als Lehrkräfte beim „Unterrichten“ im Zoo einsetzen können. Gegenstand des Seminars sind: „Stationsarbeit im Zoo“, „Beobachtung am Gehege“, „ein Projekt im Zoo“ und „das Einbinden eines Zoobesuches in eine Unterrichtssequenz“. Die Studierenden lernen zu jeder Möglichkeit wichtige didaktische und methodische Aspekte kennen und setzen sich damit auseinander, welche Lernziele mit der jeweiligen Möglichkeit erreicht werden können. In einer eingebundenen Praxisphase erstellen die Studierenden in Gruppenarbeit arbeitsteilig (jede Gruppe eine Station) einen Lernzirkel, welcher nach der Erstellung der Stationen gemeinsam im Zoo durchgeführt und reflektiert wird (siehe Bild 1 und 2). Hierdurch soll die Theorie mit Praxiserfahrungen verbunden werden. Nach den methodischen Unterrichtungsmöglichkeiten folgt im Seminar die Thematisierung und Diskussion ethischer Aspekte wie „Freiheit und Zootiere“ und „artgerechte Tierhaltung“. Damit sich die späteren Lehrkräfte begründet für einen Lehr-/Lerngang in den Zoo entscheiden können, sollten sie sich auch mit kritischen Aspekten auseinandergesetzt haben. Am Ende des Seminars findet ein weiterer Zoobesuch mit Führung der Zooschule der Wilhelma Stuttgart statt (siehe Bild 3 bis 7). Das Programm, das von Frau Reska gestaltet wird, beinhaltet Einblicke in verschiedene Führungsthemen, die von der Zooschule der Wilhelma für Schulklassen angeboten werden. Die Studierenden erhalten hierdurch eine Einsicht in das Angebot und die Möglichkeiten, die sich durch angebotene Führungen ergeben. Hierbei eröffnet sich auch die Chance eines hautnahen Kontaktes mit verschieden Tieren; was nicht nur bei Kindern Ängste abbaut und positive emotionale Erfahrungen hervorruft, sondern auch bei den Studierenden (siehe Bilder). Der Tag mit der Zooschule ist für die Studierenden immer ein sehr interessantes sowie ein durch Tiere und Exponate verstärktes Erlebnis, bei dem sie neues Wissen und positive Eindrücke gewinnen.

Die positive Resonanz und die Vielzahl von Studienarbeiten, die ausgelöst vom Seminar von Studierenden zum Thema „Zoopädagogik“ erstellt werden, zeigen, dass der außerschulische Lernort Zoo und die Thematisierung von Lehr- und Lernmöglichkeiten im Zoo für zukünftige Lehrkräfte als sehr interessant und wichtig wahrgenommen werden.

Danksagung:

An dieser Stelle möchte ich mich bei der Wilhelma Stuttgart, besonders bei Frau Reska und Herrn Reckhaus, für die Unterstützung beim Seminar bedanken.

Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Reichert und Frau Grau, die Bilder für diesen Artikel gemacht und bereitgestellt haben.

Arnold, M. (2009). Brain-based Learning and Teaching - Prinzipien und Elemente. In U. Hermann (Hrsg.), Neurodidaktik (S.182-195). Weinheim: Beltz.

Brämer, R. (1999). Jugendreport Natur: Naturverklärung Empirische Befunde zum jugendlichen Naturbild. Institut für Erziehungswissenschaft Universität Marburg.

Brämer, R. (2004). Jugendreport Natur 03: Nachhaltige Entfremdung. Institut für Erziehungswissenschaft Universität Marburg.

Brämer, R. (2010). Natur: Vergessen Erste Befunde des Jugendreports Natur 2010?. Bonn: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Chawla, L. (1998). Significant Life Experiences Revisited: A Review of Research on Sources of Environmental Sensitivity. Journal of Environmental Education, 29(3), S. 11–21.

Chawla, L. (1999). Life Paths Into Effective Environmental Action. Journal of Environmental Education, 31(1), S. 15–26.

Kleinhückelkotten, S. & Neitzke, H.-P. (2010). Naturbewusstsein 2009: Bevölkerungsumfrage zu Natur und biologischer Vielfalt (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Hrsg.). Niestetal: Silber Druck.

Lehnhard, K. (2011). Evaluieren wir die Naturerlebnisse von Kindern?. Begegnung Zoo, 26, S.14-16.

Molkenthin, S. (1999). Begegnung Zoo: Der zoologische Garten als außerschulischer Unterrichtsort. Die Grundschulzeitschrift, 13(127), S.6-11.

Wendt, P. (2012). Der Zoo als Lernwelt für Grundschulkinder. Praxis Grundschule, 35(2), S.4-5.