Spurensuche - Wissensvermittlung in Zoos auf neuen Wegen

von Swantje Buchhorn

Mit zunehmender Präsenz der digitalen Medien in der Alltagswelt verändert sich die Informationsvermittlung zunehmend. Sie ist sowohl schneller, als auch mobiler: So können beispielsweise die Informationen über Öffnungszeiten einer Einrichtung oder ähnliches heute direkt auf dem Smartphone abgerufen werden und stellen somit eine starke Konkurrenz zum hergebrachten Flyer dar. Was liegt also näher, als sich mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu befassen und diese nutzbringend in die eigenen Strukturen und daraus sich ergebenden Angebote einzubinden. 

An dieser Schnittstelle von klassischen zoologischen Gärten und der Multimediawelt stehen zahlreiche Einrichtungen vor der Entscheidung, neue Konzepte auszuloten und das Interesse der Wissenssuchenden wachzuhalten. In diesem Artikel soll geschildert werden, wie eine Hinwendung zu neuen Medien gestaltet werden kann. Ein Besucher (1) eines Zoologischen Gartens beginnt mit dem Betreten  eine Entdeckungstour in die Tierwelt. Der Zoo mit seinen Tieren wird dabei mit (fast) allen Sinnen wahrgenommen: So betrachtet er die Umgebung oder die Tiere im Gehege (Sehen), lauscht dabei dem Gesang der Vögel oder dem plötzlichen Lärmen und Schreien im Affengehege (Hören). Den gemischten Gerüchen nach Stall, Mist oder Futter kann oder will er sich nicht entziehen (Riechen). Erwachsene und  vor allem die Kinder erhalten zusätzlich bei ausgewählten Tiergruppen (meist in Form eines Streichelzoos) das Glück, haptische Erfahrungen zu sammeln (Fühlen). Taucht man in diese Welt der Tiere ein, bekommt man die Möglichkeit, sich für ein paar Stunden aus seinem Alltag zurückzuziehen, sich zu erholen und Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen. Dem Zoobesucher geht es, so berichteten einige befragte Einrichtungen, nicht in erster Linie darum, Wissen über die Tiere zu sammeln. Die Erholung stehe im Mittelpunkt. Die Aufgabe der Vermittlung in Zoologischen Gärten sei es, den Besuchern Hintergrundinformationen so anzubieten, dass sie nicht vom eigentlichen Akteur, dem Tier, ablenken und dass die Wissensaufnahme spielerisch abläuft.

Das spielerische „Erlernen durch Erleben“, wie es Jürg Meier2 beschrieb, kann mithilfe modifizierter  Methoden, die den technikaffinen Bedürfnissen angepasst wurden, noch verstärkt werden. Die „Spurensuche“ wurde von der Verfasserin dieses Artikels auf der Grundlage bereits bestehender Methoden im musealen Bereich für die Bedürfnisse eines Zoologischen Gartens angepasst. Diese neue Form des Erlebens soll als „Spurensuche“ charakterisiert werden. Der „Spurensucher“ findet in den Tierhäusern und auf dem Gelände verteilt kleine Informationsstationen, bei denen er Informationen auf einem Trägermedium (RFID3-Chip, Postkaste, Heft etc.) sammeln und diese mitnehmen kann. Am Ende des Rundgangs können diese Informationen abgerufen werden. Jeder Besucher erhält eine Zusammenstellung von Informationen, die seinem Fortschritt bei der Suche entspricht. Die Nachbereitung seines Besuches zu Hause vertieft die Eindrücke und festigt das Wissen. Im Folgenden werden zwei verschiedene Ausführungen der Spurensuche erläutert.


Grundprinzip der Spurensuche

Auf dem Weg durch das Gelände begibt man sich fast automatisch auf eine Spurensuche. An unterschiedlichen Punkten im Park und den Tierhäusern befinden sich Stationen, die Informationen über den jeweiligen Bereich liefern. Dies kann in Form von reinen Text- und Bildinformationen bis hin zu Aufgaben und Rätseln erfolgen. Jede Station besitzt darüber hinaus eine Funktion, die es dem Besucher ermöglicht, seinen Weg und die damit besuchten Stationen zu dokumentieren. Die gesammelten Informationen und Fortschritte  werden am Ende des Zoobesuches ausgewertet und der Besucher erhält Materialien zur Nachbereitung des Besuches.

Die unterschiedlichen Ausführungen der Spurensuche können auf jede Einrichtung individuell zugeschnitten werden. Im Folgenden werden zwei Ausführungen der Spurensuche erläutert, die sich in der Wahl ihrer eingesetzten Mittel unterscheiden: die analoge und die digitale Suche(4).


Analoge Spurensuche

Der Besucher erhält an der Kasse oder an einem Informationsstand eine Stempelkarte, -heft oder Ähnliches und begibt sich damit auf seinen Rundgang durch das Gelände. Nun kann er an den Stationen Stempelbilder sammeln. Hierfür ist jede Station zusätzlich zu den Informationen mit einem Stempel und -kissen ausgestattet.

Bei der Wahl des Stempelmotivs kann zum einen darauf geachtet werden, dass es thematisch zur Station passt. Zum anderen sollten sich die Motive der Stempel voneinander unterscheiden, damit an einer Station nicht versehentlich mehrere Stempel gesammelt werden. Dieses stellt einen Ansporn dar, alle Stationen aufzusuchen und möglichst viele Stempel zu sammeln.

Ein gutes Beispiel für diese Methode ist die Spurensuche in den Gewächshäusern der Botanika Bremen5. Diese ist thematisch in Kontinente und Länder unterteilt: Jede Station repräsentiert ein Land und der Besucher sammelt in einem "Reisepass" die Stempel aus den verschiedenen Ländern.

Nach der erfolgreichen Spurensuche gelangt der Besucher erneut zur Kasse oder Information und bekommt dort, nach Vorlage des gefüllten Stempelbogens, ein speziell zusammengestelltes analoges Informationspaket mit Flyern und Fotos und anderen Druckerzeugnissen der Einrichtung. Ein Mitarbeiter stellt dieses Paket entsprechend der besuchten Stationen zusammen. Die Fülle an Informationen variiert je nachdem, wie viele Stationen von dem Besucher besucht wurden. Ebenfalls kann erwogen werden, unterschiedliche Informationszusammenstellungen für eine Station bereit zu stellen. Diese Variation macht die Spurensuche auch bei mehrmaligen Besuchen immer wieder zu einem spannenden Erlebnis.

Digitale Spurensuche

Eine Technologie, die z. B. in Supermärkten zur Produktkennzeichnung und zum Diebstahlschutz eingesetzt wird, kann bei der elektronischen Spurensuche zum Sammeln von Informationen benutzt werden: ein RFID-System. (Datenschutzrechtliche Probleme sind nicht zu befürchten, da im ganzen System keine personenspezifischen Daten gespeichert werden müssen.) Zu diesem Zweck erhält der  Spurensucher einen preiswerten Gegenstand als sein persönliches Erkennungsmerkmal an den Informationsstellen. Dieser kann ein aus dicker Pappe gestanztes Fernglas oder ein zoo-spezifisches Logo in praktischer Größe sein, worin ein RFID-Chip eingebettet ist. Die Form dieses Gegenstandes / Karte sollte individuell gestaltet und so ansprechend sein, dass es gerne mit nach Hause genommen wird. 

Auf seinem Rundgang durch die Einrichtung erreicht der Besucher die "Beobachtungsstationen". Diese Stationen in Säulen- oder Kastenform sind ungefähr einen Meter hoch, so dass die meisten Besucher die Station benutzen können. Sie ersetzen oder ergänzen die althergebrachten Informationstafeln, weshalb dieses RFID-System allmählich wachsend eingeführt werden kann. Andere Medien wie Film oder Ton können in diese Beobachtungsstationen integriert werden. Es wäre wünschenswert, die Stationen möglichst barrierefrei zu gestalten (Beispielsweise mit der Nutzung einer höhenverstellbaren Tafel oder der Nutzung von leichter Sprache).6

Der Standpunkt der Station bestimmt hierbei den thematischen Schwerpunkt, so dass bspw. vor dem Tigergehege Informationen zum Lebensraum des Tieres oder seiner Lebensweise präsentiert werden. Im Inneren der Station befindet sich ein RFID-Lesegerät, das über  einen Computer  Teil eines Netzwerks ist. Bringt der Besucher nun seinen Chip in die Nähe des Sensors, erkennt das Lesegerät den Chip und die individuelle Kennung des Chips wird zusammen mit einem Datumsstempel über das Netzwerk auf einem zentralen Server gespeichert. Die Kennung jeder zusätzlich aufgesuchten Beobachtungsstation erweitert die gespeicherte Liste und protokolliert sozusagen den Pfad der Informationssuche. Ein akustisches Signal, wie bspw. der Laut des jeweiligen Tieres, ertönt als Rückmeldung für den Besucher, wenn diese Speicherung erfolgreich erfolgte. Die Rückmeldung kann ebenfalls durch optische Signale erfolgen. Die Wahl der Methode kann individuell abgestimmt werden, sollte aber innerhalb des Geländes einheitlich gestaltet sein.

Ist der Rundgang beendet, kann nach den oben schon beschriebenen konventionellen Verfahren eine Informationssammlung (Papierversion) erstellt werden. Die Nachbereitung des Erlebten kann aber auch mit den modernen Medien erfolgen.  Dazu kann der Code des Chips, welcher sichtbar auf der jeweiligen Karte aufgedruckt ist, auf der Internetseite des Zoologischen Gartens eingegeben werden. Es wird nun eine Zusammenstellung von Informationen bereitgestellt, die auf den jeweiligen Besuch abgestimmt ist. Da dabei auf abgespeicherte Text-Bild-Audio-Bausteine zurückgegriffen wird, kann der Nutzer diese Liste individuell abspeichern und ohne Zeitvorgabe abrufen. Nach einer sinnvoll begrenzten Dauer werden diese Besucherinformationen vom Server des Zoos gelöscht.

 

Ausblick

Die Wissensvermittlung in Zoologischen Gärten ist von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich. Die Wahl der vermittelten Informationen und Vermittlungsmethoden hängt oft von vielen unterschiedlichen Faktoren ab (wie z.B. personelle und finanzielle Kapazitäten). Der Wunsch nach einer Veränderung oder Verbesserung der Angebote für den Besucher besteht bei vielen Zoos, wie eine Umfrage der Autorin ergab.

Die Schilderung der Spurensuche in diesem Artikel stellt zwei Möglichkeiten vor, die Wissensvermittlung mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu modifizieren. Die Einrichtung ist zwar mit Investitionen verbunden, kann jedoch für mehr Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft der Besucher sorgen. Der Besuch wird aktiver gestaltet, da die Besucher immer wieder aufgefordert werden, sich nach Stationen umzuschauen. Zusätzlich können sie die erlebten Eindrücke zu Hause nachbereiten und erarbeiten.

Das aktive Erleben und Erlernen steht in der zoologischen Vermittlungsarbeit an erster Stelle. Durch Methoden wie der Spurensuche wird aus einem Rundgang durch den Park ein spannendes Suchspiel für Jung und Alt und bestehende Informationen können besser aufgenommen werden. Schicken Sie Ihren Besucher auf eine spannende Reise durch Ihre Einrichtung.

Über die Autorin:

Swantje Buchhorn (*1988)

Museologin (BA) und Informationswissenschaftlerin (MA)

Für ihre Masterarbeit mit dem Titel „Wissensvermittlung in Zoologischen Gärten“ erforschte sie die gängigen Methoden der Vermittlung in Zoologischen Gärten. Der vorliegende Artikel stellt einen Teil der Arbeit exemplarisch vor.

Genauere Informationen zum Inhalt erfahren Sie unter: http://www.fh-potsdam.de/fileadmin/user_upload/fb-informationswissenschaften/bilder/forschung/masterday/2013/Poster-S_Buchhorn.pdf 

Gerne steht Ihnen die Autorin für Rückfragen unter swantje@buchhorn.eu zur Verfügung.


  1. In diesem Artikel wird wegen besserer Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche Formen sind selbstverständlich eingeschlossen.
  2. Siehe: Meier, Jürg (2009): Handbuch Zoo. Moderne Tiergartenbiologie. 1. Aufl. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/oclc/439706758.
  3. Die Technologie des RFID (Radiofrequenz Identifikation) ermöglicht es, Daten durch Radiowellen ohne Berührung und Sichtkontakt zu übertragen und auf einem digitalen Endgerät darzustellen. (Definition nach www.info-rfid.de)
  4. Für einen Vergleich der beiden Methoden siehe Abbildung und Tabelle.
  5. Siehe: http://www.botanika-bremen.de/ (Letzter Zugriff: 04.09.2014)
  6. Für weitere Informationen zur Barrierefreiheit und Inklusion siehe: Deutscher Museumsbund (2013): Das inklusive Museum – Ein Leitfaden zu Barrierefreiheit und Inklusion,ISBN: 978-3-9811983-9-3